Wir müssen so in der 9./10. Klasse gewesen sein. Auf jeden Fall kam eines Tages Herr Armin Hedwig
in unsere Klasse. Wir hatten ihn selbst nicht im Unterricht, jedoch war er uns als der Experte und
Ansprechpartner für Berufsorientierung und Betriebspraktika an der Stiftsschule bekannt. Zudem
wussten wir, dass er ein äußerst passionierter Liebhaber und exzellenter Kenner der englischen
Kultur war. Unser Klassenlehrer Mr. Chris Wood nickte ihm kurz zu und zeigte auf einen meiner
Mitschüler und mich. Dies bedeutete für uns, dass wir nun mit Herrn Hedwig auf den Flur gehen
sollten. Offenbar gab es etwas zu besprechen!? Die Gedanken schossen durch den Kopf, allerdings
war ich mir beim besten Willen keiner Schuld bewusst. Was er wohl von uns wollte? Draußen auf
dem Flur erzählte uns Herr Hedwig dann von einem ganz besonderen Projekt, welches aus seiner
Liebe zu England entstanden sei. Er bat uns um Unterstützung, da wir als Teilnehmer des
vorangegangenen Englandaustausches mit der Fullbrook Secondary School in New Haw/Surrey
bestens dafür geeignet seien.
Endlich wurde er konkreter und berichtete uns, dass er die Gelegenheit bekommen habe eine alte
Telefonzelle aus England für die Stiftsschule zu erhalten. Diese wolle er im B-Gebäude aufstellen,
allerdings sei die Zelle etwas in die Jahre gekommen und daher suche er noch zwei Schüler, die ihm
dabei helfen würden dieser altehrwürdigen Telefonzelle wieder ihren alten roten Glanz zukommen
zu lassen. Während er noch darüber schwadronierte, dass die kürzlich privatisierte englische Post
schändlicherweise diese Kulturgüter gegen neue, moderne, silberne Telefonzellen austauschen
würde, schauten wir uns grinsend an und freuten uns auf einen unterrichtsfreien Vormittag in der
Schule.
Ein paar Tage später schaute man uns dann im Schulbus seltsam an, da wir im Blaumann auf den
Berg fuhren. Dort angekommen hatte Herr Hedwig schon die Originalfarbe sowie das Malerzeug
bereitgestellt und wir machten uns ans Werk. Tatsächlich gelang es uns die alte Telefonzelle wieder
in altem Glanz erstrahlen zu lassen, sodass ein Münzfernsprecher darin installiert werden konnte.
Jedes Mal, wenn ich nun auf dem Amöneburger Schulhof bin, gilt einer meiner ersten Blicke dem
Foyer des B-Gebäudes und der alten Dame in Rot. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich sie dort
wunderbar glänzend vor mir sehe. Da sie seitdem vor Wind und Wetter geschützt ist, sieht sie auch
heute noch so funkelnd aus wie damals. Es ist toll, dass die private Leidenschaft Herrn Hedwigs auf
diese Art und Weise ihren die Zeiten überdauernden Platz in der Stiftsschule gefunden hat