Das Schulquiz der Stiftsschule hat sich trotz insgesamt leicht sinkender Verkaufszahlen eine feste „Stammkundschaft“ gesichert: diese reißt auch mit Verlassen der Schule nicht ab! Selbst in der Lehrerschaft gibt es inzwischen ein festes Publikum, so dass man wirklich sagen kann, dass das Quiz Schüler, Lehrer und Ehemalige zusammenbringt – eine wunderbare Entwicklung.
Noch erstaunlicher: die insgesamt sieben (!) Siegerinnen und Sieger des diesjährigen Schulquiz (alle haben 13,5 von 14 möglichen Punkten) kommen tatsächlich aus allen drei Gruppen.
Erfreulicherweise hat sich auch die Zahl derer, die einen Lösungszettel abgeben, deutlich erhöht: wir hatten dieses Mal über 50 Lösungen auszuwerten – und deren Qualität war unglaublich hoch. Die Amoeneburgia e.V. unterstützte die Preisgelder wieder mit einem Sockelbetrag von 250,00 EUR, so dass die Siegerehrung durch den Schulleiter Georg Lang am 06. März 2019 in würdigem Rahmen vorgenommen werden konnte.

Als Beispiel die hochinteressante Frage 2, deren Lösung (vor allem zu 2b) auch uns überrascht hat. Es würde sich lohnen, dem Phänomen der Ausgrenzung des Judas in einer eigenen kunstgeschichtlichen Untersuchung weiter nachzugehen…

Schwierig für den Pessimisten, leichter für sein Pseudonym.

In der Zeit der Renaissance hatte sich eine „klassische Komposition“ für die Gestaltung des Abendmahls durchgesetzt, wie rechts im Gemälde von Agnolo Gaddi (ca. 1350 – 1390) zu sehen ist: 11 Jünger sitzen am Tisch um Jesus herum, alle mit Heiligenschein; außen vor bleibt Judas (mit jüdischem Spitzbart und ohne Heiligenschein).
Das berühmte Abendmahl von Leonardo da Vinci setzte dagegen völlig neuartige Akzente, indem es z. B. Judas in den Kreis der Apostel integrierte und so dem Moment, als Jesus den Verrat eröffnete, eine ungeheure innere Spannung verlieh.
Wir suchen nun zwei andere Phänomene, ebenfalls aus der Zeit der Renaissance. In dem einen Fall beweist uns der Künstler, dass man einen Heiligenschein berühren kann (!) und das Abendmahl im Kreise von 13 Jüngern feiern kann (gegen einen Aberglauben, der mit der teuflischen Zahl 13 verknüpft war), im anderen zeigt ein anderer Künstler, dass man Judas auch durch einen ganz besonderen Heiligenschein in ein schlechtes Licht setzen konnte…

-> Welche Darstellung zeigt 13 Apostel bei Tisch und einen
greifbaren Heiligenschein?
-> Welche Darstellung zeigt die oben erwähnte Besonderheit bei Judas?

Und ihre ausführliche Lösung…

Sie zeigt die innere Dynamik dieses Wettbewerbs. Wir hatten für 2a ein Bild gefunden, bei 2b wussten wir von zwei Darstellungen mit passender Lösung. Aber wir konnten ja nicht ahnen, dass in der gesamten oberitalienischen Renaissance – Malerei das Motiv des schwarzen Heiligenscheins immer wieder mal aufgegriffen wurde…

2.
In früheren Zeiten waren Bischöfe oft auch Landesherren. So sehen wir auf dem Amöneburger Wappen immer noch das Mainzer Rad des früheren Landesherren, des Erzbischofs von Mainz. Manchmal spiegeln Wappen auch Veränderungen wieder, wie auf dem des hessischen Wetter. Hier findet man neben dem Mainzer Rad auch den Hessischen Löwen. Der Ort, in dem sich eine der gesuchten Darstellungen befindet, hat ebenfalls das Mainzer Rad im Wappen mit einem darunter liegenden Halbmond mit Gesicht. Es ist Bönnigheim, etwa 16 km nördlich von Ludwigsburg. Die Mainzer Oberlehensherrschaft blieb erhalten, als vier Adelsgeschlechter sich die Stadt in vier Stadtviertel aufteilten wie bei einem römischen Lager. Durch einen „Burgfrieden“ im Jahre 1388 regelten sie das gemeinsame städtische Leben. Der Mainzer Erzbischof blieb auch nach der Reformation oberster Herr, als die Mehrheit der Bevölkerung sich der Reformation angeschlossen hatte. So kam es, dass der spätgotische Altar der Kirche des hl. Cyriax (Cyriacus, vgl. den hiesigen Ort Cyriaxweimar) erhalten blieb. Auf seiner Predella, dem untersten, schmalen Teil, befindet sich eine ungewöhnliche Darstellung des Abendmahls. In den fünf konchen-artigen Vertiefungen hinter dem langen Tisch sieht man neben Jesus neun Apostel und auf der vorderen Bank sechs Personen. Die zwei kleineren sind offensichtlich Bedienstete. Das heißt, unter den Aposteln befindet sich auch der später gewählte Nachfolger von Judas Iskariot Matthias. Gut zu erkennen ist Johannes, der seinen Kopf an die Brust seines Herrn gelegt hat. Dass man in der Antike zu Tische lag, war den Künstlern nicht bekannt.

Ein Apostel greift nach dem Heiligenschein eines anderen. Ohne Heiligenschein bleibt Judas Iskariot, der damit als Verräter gekennzeichnet wird. Den Beutel mit den dreißig Silberlingen hat er bei sich. Es ist ein Festessen, bei dem es auch Fleisch und Schnaps gibt. Was den Künstler zur ungewöhnlichen Darstellung bewogen hat, ist schwer zu sagen.
Judas Iskariot wird in der Regel durch verschiedene Mittel als der Außenseiter gekennzeichnet: Tatsächlich ist er oft von den anderen getrennt. Den Geldbeutel und den fehlenden Heiligenschein haben wir schon angesprochen. Manchmal hat er tiefschwarze Haare, einen „jüdischen“ Spitzbart, eine auffallende Gewandfarbe und /oder einen bösartigen Gesichtsausdruck. Er ist offenbar eine Verkörperung „des“ ungeliebten Juden. Dass die anderen Jünger und Jesus auch Juden sind, wird verdrängt.

Ein großartiges Detail des Bönnigheimer Altars: Ein „gieriger“ Jünger lenkt den anderen ab, um an dessen zu kommen.

Auf eine andere ungewöhnliche Kennzeichnung von Judas Iskariot verweist die Angabe Schwierig für den Pessimisten, leichter für sein Pseudonym. Nun, ein „Schwarzseher“ wird keine Schwierigkeiten haben, einen schwarzen Heiligenschein (Nimbus) wahrzunehmen, durch den Judas Iskariot z.B. auf einer Darstellung des Stefano d’Antonio di Vanni (1405 – 1483) zu erkennen ist. Dieses von uns gefundene Bild wird auf 1434 datiert. Ebenso richtig: Fra Angelico und Mariotto (auch: Angellili) di Nardo (jeweils Judas mit schwarzem Nimbus). Dazu kommen noch: Cosimo Rosselli (blauer Nimbus) und – vielleicht als älteste Darstellung: Silvestro dei Gherarducci (Judas mit schwarzem Nimbus in einer Initiale). Auf jeden Fall hat die Ausgrenzung des Judas zu Beginn des 15. Jahrhundert einen Höhepunkt erreicht. Umso großartiger ist dann der Bruch mit der Tradition, als Leonardo da Vinci Judas wieder in die Reihen der Jünger aufnimmt und durch das Einfangen des Moments, in dem Jesus den Verrat verkündigt, ungeheure gestalterische Spielräume erhält!

Fra Angelico (eigentl. Fra Giovanni da Fiesole, 1387–1455)
In der rechten Gruppe der Jünger, „eingekreist“ durch drei andere, kniet Judas, kenntlich gemacht durch seine tiefschwarzen Haare und einen schwarzen Nimbus.

Leider ist dieses Bild nur sicher auf die Zeit nach 1418 zu datieren, als Fra Angelico von Cortana nach San Marco in Florenz zog, und dort in jahrelanger Arbeit den Kreuzgang und die Zellen des Konvents ausschmückte. Sollte es in den 20er Jahren entstanden sein, wäre es älter als das von Stefano d’Antonio di Vanni, aber immer noch nicht das älteste.
Stefano di Antonio Vannis Abendmahl befindet sich im früheren Refektorium des Klosters der Kirche Sant’Andrea a Cercina; deutlich sichtbar sind der schwarze Nimbus, das Geldsäckchen und der jüdische Spitzbart.

 

Tobias Brandt