25.11.2023

Franz Schubert: Winterreise

Tränen der Rührung dürften im Publikum unserer Konzerte im Gebälk wohl eher selten sein, doch diesmal war die Ergriffenheit außergewöhnlich. Vielleicht ist der Liederzyklus „Winterreise“ nach Gedichten von Wilhelm Müller aber auch wirklich das Emotionalste und Erschütterndste, was Schubert geschrieben hat. Wenn dann Interpreten wie der junge Bassist Thomas Trolldenier und die ehemalige Stiftsschülerin Solvejg Henkhaus so phantastisch musizieren wie in diesem Konzert, so kann sich dem tatsächlich kaum jemand entziehen.

Thomas Trolldenier besitzt eine volle, runde und kraftvolle Stimme, die er ungewöhnlich farbenreich einzusetzen versteht. Verträumte oder verzagte Passagen kann er zart leuchtend oder auch stumpf und matt färben, mehr erzählenden Aussagen gibt er seine wohlklingende Mittellage mit und zu geradezu heldischen Klängen ist er ebenfalls fähig. Das ist für die Winterreise ideal, die ja bevorzugt von Baritonen und Bässen gesungen wird. Eine zusätzliche Schwierigkeit besteht in der Virtuosität, die Schubert der Stimme immer wieder abverlangt. Auch da konnte Thomas Trolldenier seine Vielseitigkeit eindrucksvoll unter Beweis stellen. Daß seine Partnerin Solvejg Henkhaus eine sichere und selbstbewusste Pianistin ist, wird für viele Zuhörer und Zuhörerinnen nichts Neues gewesen sein. Sie hier außerdem als eine derart souveräne Begleiterin zu erleben, war eine ganz große Freude! Ein Adjektiv wie „einfühlsam“ würde ihre Kunst nicht ganz treffen, denn diese Eigenschaft beschreibt eine Selbstverständlichkeit für jede Art von Begleitung. Beim Kunstlied ist aber der Klavierpart der Gesanglinie ebenbürtig und nicht das Geringste darf klanglich verlorengehen. Genau das zeigte Solvejg uns auf eine beeindruckende Weise. Sie entlockte dabei dem Kawai-Flügel der Stiftsschule eine verblüffende Farbenvielfalt: sie spielte zart, warm, feurig, zupackend und virtuos, wir erlebten sie in jedem Takt präsent, immer selbständig und dienend zugleich! So hatte sie an der Ergriffenheit des erfreulich zahlreichen Publikums im leicht abgedunkelten Konzertsaal einen dem Gesang völlig gleichwertigen Anteil. Wir durften an diesem Abend ein geradezu ideales Liedduo erleben.

Ein ganz herzliches Dankeschön den Beiden für diesen bewegenden Abend!

Kilian Gottwald